Lange Verschlusszeiten

Fluch und Segen gleichermaßen

Viele Anfänger und Hobbyknipser fürchten lange Verschlusszeiten, da hier die Gefahr von Bewegungsunschärfen, also "Verwacklungen" drastisch steigt. Natürlich gibt es genug Situationen in denen auch der Profi lange Verschlusszeiten einfach nicht gebrauchen kann und mit allen Mitteln vermeiden möchte.
Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, lange Verschlusszeiten gezielt zur Bildgestaltung einzusetzen.

Schon wieder Wasser – Das Wasserfall–Beispiel

Nehmen wir an, wir möchten einen Wasserfall fotografieren. Wir haben also zum Einen die eher statische, nahezu bewegungslose Umgebung des Wasserfalls und zum Anderen das Wasser, das mit recht beeindruckender Geschwindigkeit in die Tiefe stürzt. Nun wollen wir dieses grandiose Naturereignis auf ein Bild bannen. Ist der Tag hell und sonnig, sodass wir eine schön kurze Verschlusszeit wählen können, wären wir in der Lage ein Bild zu machen, auf dem alle Bildelemente schön scharf abgebildet sind.

Aber ist das immer wünschenswert? Wenn alle Bildelemente scharf sind, heißt das auch, dass wir das fallende Wasser eingefroren haben. Wir haben das Wasser seiner Bewegung, seiner Dynamik und seiner Kraft beraubt. Wenn das die Intention des Fotografen war, ist das der richtige Weg. ICH persönlich fände es reizvoller, gerade die Bewegung und Dynamik des Wassers auf das Bild zu bannen. Genau hier kommen lange Verschlusszeiten ins Spiel. Wähle ich die Verschlusszeit also bewusst recht lange (merke: schon 1/10s ist in der Fotografie eventuell eine Ewigkeit), passiert folgendes:
Die Umgebung des Wasserfalls wird auf dem Bild hinreichend scharf abgebildet, da sie sich nicht bewegt. Das fallende Wasser bewegt sich jedoch viel zu schnell, um noch scharf abgebildet zu werden. Es erzeugt also eine deutliche Bewegungsunschärfe auf dem Bild. Das Ergebnis ist also eine scharfe Landschaft, mit einem äußerst dynamischen Wasserfall. Hier die optimale Belichtungszeit zu finden, bedarf einiger Erfahrung. Wenn man es nämlich übertreibt, ist die Bewegungsunschärfe so groß, dass der Wasserfall quasi "glattgebügelt" erscheint. Das ist auch nicht unbedingt erwünscht. Ziel ist es, einen gesunden Mittelweg zu finden.

Das selbe Bild einmal mit 1/640s und einmal mit 1/10s BelichtungszeitHier ist ein Ausschnitt zweier Bilder, die mit 1/640s (links) und 1/10s (rechts) gemacht wurden. Ich hatte in Frankfurt gerade keinen Wasserfall greifbar, da musste der Kalbach herhalten. Dieses Beispiel soll auch nur den beschriebenen Effekt verdeutlichen

Da jedoch bei langen Verschlusszeiten die Gefahr drastisch steigt, durch Zittern auch statische Bildelemente zu verwackeln, sollte man die Kamera zumindest irgendwo auflegen. Noch besser ist die Verwendung eines Einbeins oder gar eines richtigen Stativs. Und selbst auf einem Stativ kann es noch zu Verwacklern kommen (speziell wenn man mit langen Brennweiten arbeitet – denn mit steigender Brennweite erhöht sich die Gefahr von Verwacklungen). Drückt man den Auslöser, kann es sein, dass die Kamera auf dem Stativ unmerklich schwingt. Bei Makroaufnahmen oder bei langen Brennweiten reicht diese Schwingung oft jedoch schon aus, um das Bild zu verwackeln. Abhilfe schafft hier ein Fernauslöser, oder wenn man keine Aufnahme machen möchte, bei der es für die Auslösung auf einen bestimmten Zeitpunkt ankommt, der Selbstauslöser. Bis der Selbstauslöser mit dem Countdown fertig ist, hat sich die Kamera lange wieder beruhigt.